Auf die nächsten hundert Jahre!

Vor über hundert Jahren gründeten Menschen voller Ideen und Visionen die Roten Falken in Österreich und wenig später dann auch in der Schweiz. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg, in einer krisenhaften, militarisierten Zeit, während der faschistische Politik salonfähig wurde, erachteten es Menschen wie Anny Klawa-Morf und Albert Hofer als wichtig, sich auch in der Schweiz den rechten Kräften entgegenzusetzen.

Sie gründeten die Roten Falken Schweiz, um Kinder zu kritischen, aufmüpfigen und solidarischen Menschen zu erziehen. Im Gegensatz zu den Pfadis waren und sind bei den Falken Werte wie Gleichberechtigung, Solidarität und Mitsprache von zentraler Bedeutung, so dass beispielsweise Mutproben und Geschlechtertrennung nicht in die Falken passen. Seit hundert Jahren versuchen die Falken ein Ort zu sein, in dem sich die Kinder fernab der kapitalistischen Gesellschaft so entwickeln können und dürfen, wie es ihnen entspricht, so wie sie sich wohlfühlen, einen Ort, den sie gemeinschaftlich gestalten können.

Anlässlich dieses Jubiläums möchten wir Helfer:innen einen Ausblick auf die nächsten hundert Jahre wagen. Auch jetzt sind wir wieder in einer Zeit, in welcher ein Backlash rechter Kräfte in ganz Europa zu beobachten ist, in der Menschen in neoliberaler Logik weiter ausgebeutet werden und in der wieder Krieg herrscht. Für uns steht fest, dass die emanzipatorisch-politische Pädagogik bei den Falken auch in den kommenden Jahrzehnten umgesetzt werden muss. Wir brauchen Kinder, Jugendliche, junge Menschen, die selbstbewusst gegen Ungerechtigkeiten einstehen, ihre Meinungen einbringen und jeden Tag einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

Bei den Falken sollen die Kinder eine Gegenwelterfahrung machen können, sie sollen sehen, dass es andere Möglichkeiten gibt das Zusammensein zu gestalten und dass sie sich dadurch von vielen Zwängen des Alltags befreien können. Gleichzeitig entdecken sie Widersprüche, Handlungen und Haltungen, die sie in ihrem Alltag stören. Schlussendlich ist das Ziel der Falkenpädagogik eine andere Sozialisation, wir wollen, dass die Falkenkinder nicht zu passiven, autoritätsgläubigen Personen heranwachsen, sondern zu handelnden Individuen, die für ihre Werte einstehen und sich weder beherrschen lassen noch herrschen wollen. Eine Gegenwelterfahrung im kleinen Rahmen wie bei den Falken kann ausserdem die Idee nähren, dass die Welt auch im grossen Rahmen eine andere sein könnte.

Somit werden die Falkenarbeit und allgemein kritische Erziehungsarbeit auch in hundert Jahren noch wichtig sein. Deshalb wird es ein Ziel bleiben, dass die Falken in der Schweiz weiterhin wachsen. Ebenso soll der Kontakt mit anderen Falkengruppen wachsen. Zum Beispiel haben wir zusammen mit den Falken Brandenburg ein Osterweekend für unsere Jugendlichen organisiert und sind diesen Sommer nach England ins IFM-Camp mit circa 2’500 anderen Falken gefahren.

Behalten wollen wir unsere Spontanität, Autonomie und die freundschaftliche Atmosphäre, welche die Falken in der Schweiz in unseren Augen einzigartig machen.

In diesem Sinne: Auf die nächsten hundert Jahre!
Freundschaft, aus dem Sola 2022

Alea, Anuska, Chiara, Dimitri und Michi